William Kentridge – Drawing the Passing

Künstlerporträt [mit Reinhard Wulf] © WDR 1999

Bekannt geworden ist der südafrikanische Künstler, Theaterregisseur und Filmemacher William Kentridge (*1955) vor allem durch seine Animationsfilme, die u.a. auf der der documenta X in Kassel und der Biennale in Venedig 1999 zu sehen waren. Die Technik dieser vier bis acht Minuten langen Filme, die er selbst „Drawings for Projection“ nennt, ist denkbar einfach: Kohle- und Pastellkreidezeichnungen werden in ihrem Entstehungs- und Entwicklungsprozeß gefilmt. In radikaler Vereinfachung arbeitet er nur mit dem Zeichenstift und dem Radiergummi. Durch wiederholtes Wegradieren und Neuzeichnen entwickelt er die Handlung einer Szene. Jeder dieser Schritte wird mit einer 35mm-Kamera festgehalten. Dadurch bleiben die Spuren der wiederholten Eingriffe und Veränderungen sichtbar und werden zum konstitutiven Bestandteil der Filme.

Das Werk von William Kentridge bildet einen ausdrucksstarken und sehr persönlichen Versuch, die Natur menschlicher Gefühle und Erinnerungen darzustellen. Gleichzeitig spiegeln seine Filme die Suche nach kultureller Identität und die Verwurzelung in der Geschichte und Politik Südafrikas. In den kurzen, melancholischen und oftmals bizarren Erzählungen tauchen die Verbrechen des Apartheid-Regimes immer wieder als Versatzstücke auf. Die Filme kreisen um das Thema der kollektiven Erinnerung und der persönlichen Verantwortung, verbunden mit den Spuren individueller Erfahrungen.

Das Porträt ist auf der Basis einer Werkbeobachtung und ausführlicher Interviews im Atelier von William Kentridge 1998 in Johannesburg entstanden. Die Arbeit an seinem Film STEREOSCOPE, der im April 1999 im Museum of Modern Art in New York Premiere hatte und im selben Jahr auf der Biennale in Venedig gezeigt wurde, steht im Mittelpunkt der Beobachtung. Im Gespräch erläutert William Kentridge seine Arbeitsweise, die Technik seiner Zeichnungen und Filme sowie sein künstlerisches Selbstverständnis, das stark geprägt ist von den politischen Erfahrungen in Südafrika.

Buch und Regie Maria Anna Tappeiner und Reinhard Wulf
Kamera Nic Hofmeyr
Ton Tony Bensusa
Schnitt Sybille von der Laage
Redaktion Imke Wallefeld
Länge 50:27 Minuten, deutsche und englische Fassung
Produktion Westdeutscher Rundfunk, 1999

 

AUSZEICHNUNGEN: Silver Spire bei den GOLDEN GATE AWARDS 2000, San Francisco  (Division II. Television, The Arts); Prix Démarche d’Artiste beim FESTIVAL INTERNATIONAL DU FILM D’ART ET PEDAGOGIQUE 2000, Paris

William Kentridge, Art in a State of Siege, 1988. © The artist

William Kentridge, Art in a State of Siege, 1988. © The artist